Wir sind der 20. Lehrgang

Alessandra Röder

... war sich sicher, dass sie nach ihrem Abitur nichts in ihrer Heimatstadt Lübeck halten kann – bis sie ihre Liebe zum Lokaljournalismus entdeckte. Über vier Jahre lang suchte sie als Pauschalistin und Volontärin nach Geschichten in der norddeutschen Region. Dafür stieg sie für einen Selbsttest in ein Gleitflugzeug, porträtierte eine Mutter und ihren behinderten Sohn bei ihrem Kampf für mehr Inklusion in dörflichen Gemeinden und begleitete einen afghanischen Geflüchteten zu seiner Anhörung. Darüber hinaus lernte sie, wie man sich als 20-jährige Journalistin auf Schützenfesten, in der Kommunalpolitik und in Lokalredaktionen durchsetzt. Anschließend studierte sie Politikwissenschaft mit Fokus auf feministische Theorien in Berlin. Das Studium finanzierte sie sich als Online-Newsautorin für Politik beim RedaktionsNetzwerk Deutschland und als CvD bei den Lübecker Nachrichten. Zudem schrieb sie für GEO, GEO Epoche, Spiegel Daily und die taz. Besonders liegen ihr Themen zu sozialer Gerechtigkeit am Herzen. Neben dem Schreiben begeistern sie Theater und Tanzen, wobei sich ihre Salsa-Fertigkeiten rapide bei nächtelanger Praxis während ihrer Auslandsaufenthalte in Mexiko und Kolumbien verbesserten. Jetzt kommt das Abenteuer Reutlingen. Dabei freut sie sich besonders darauf, endlich wieder auf der Straße zu recherchieren.

David Fuhrmann

David Fuhrmann

...merkte irgendwann, dass wichtige persönliche Erinnerungen nach Fußballereignissen sortiert sind. Die Einschulung in Amsterdam? Wenige Wochen nach der Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich. Der erste Kuss? Während des Sommermärchens 2006. Die Zusage aus Reutlingen? Zwei Tage nach der Pokalpleite von Hannover 96 in Bielefeld. Ungleich sortiert kritzelte er von klein auf Wörter und Sätze in Notizbücher. Verzerrte Beobachtungen aus seinen Städten Hannover, Köln und Berlin, von der Arbeit im Hospiz, im Kino, vom Gewimmel der Großstadt. Heute schüttelt David erst den Kopf, wenn er seine prosaisch ungeschickten Ergüsse liest, und ist dann dankbar für sein in Schrift offen gelegtes Gehirn. Kurz nach der EM 2016 ein echter Volltreffer: der Umzug nach Halle. Spöttisch fragte der Bekanntenkreis: „Was willst du in dieser Kleinstadt?“ Halle lieferte Antworten, schenkte David Raum zum Ausprobieren. Mit Freunden betrieb er einen Kulturverein, legte nachts in Clubs auf, wagte in einer Nachrichtenagentur die ersten journalistischen Gehversuche, die schnell zu einem Ziel führten: Journalist zu werden. Für die Süddeutsche Zeitung schrieb er über seinen Heimatverein Ajax Amsterdam, im Volontariat für die Mitteldeutschen Zeitung über inhaftierte Pfarrer in der DDR, für den Spiegel über die jüdische Gemeinde in Halle. In Reutlingen möchte David nun lernen, wie er große Geschichten aufschreibt, sortiert und ohne sich zu verzetteln.

Dune Korth

Dune Korth

… wollte immer schon so viel wie möglich kennenlernen und verstehen. Zum Studium ist sie in Frankreich, Großbritannien, Italien und schließlich in Berlin gelandet, irgendwo zwischen Wirtschaft, Philosophie und Politik. Zwischendurch hat sie immer wieder den Rucksack gepackt: um mit durchnässten Vulkanführern in Nicaragua zu campen, Europas beste Tankstelle zum Trampen zu finden und im Himalaya mit Mönchen zu frühstücken. Zunächst träumte sie von einer Karriere in der Wissenschaft. Doch der Forschungsbetrieb war ihr zu starr und oft zu weit weg vom Rest der Gesellschaft. Also lernte sie in der Pressestelle einer NGO, Finanzskandale in drei Sätzen zu erklären. Und als Chefredakteurin der Unizeitung, dass Journalistinnen einfach fragen dürfen. Und zwar fast alles – wie toll! Schließlich hospitierte sie im Politikressort der ZEIT, verschwand dabei in den Untiefen rechtsextremer Bauernchatgruppen, teilte bei Minusgraden mit Klimaaktivisten ihr Baumhaus und kam aus dem Fragen gar nicht mehr raus. Von da an war klar: Kein anderer Beruf kommt in Frage! In Reutlingen möchte sie jetzt lernen, Geschichten zu schreiben, die berühren und nachhallen.

Franziska Wessel

Franziska Wessel

… hat ihre erste Zeitung gebastelt, bevor sie schreiben konnte. Lokaljournalistische Beiträge vorweisen zu können, gehörte im Kasseler Redakteurshaushalt ihrer Eltern einfach zum guten Ton. Seitdem will sie Journalistin werden, wehrte sich aber zwischenzeitlich dagegen. Zu groß schien die Konkurrenz, als ihr im Politik-Studium in Leipzig klar wurde: „Alle anderen“ wollen auch was mit Medien machen. Also absolvierte sie Praktika in der politischen Verwaltung und in einem Think Tank. Als geplante Traineeships in Bundestag und EU-Parlament an der Corona-Pandemie scheiterten, versuchte sie es doch nochmal mit dem Lokaljournalismus – und war angefixt. Wie wenig sie mit krummem Rücken im Home Office saß, mit wie vielen Menschen sie ins Gespräch kam! Nach einem Abstecher in eine überregionale Redaktion stellte sie fest, dass sie lieber nah dran am Geschehen sein wollte als weit weg im Newsroom. So verbrachte sie als Zeitungsvolontärin und -redakteurin in Göttingen Tage auf einem Spargelfeld, im Gefängnis und bei einem nur aus der Ferne verrückt scheinenden Männerverein. In Reutlingen will sie lernen, wie sie ihre Liebe für Menschen und deren Geschichten mit großen Recherchen verbindet.



Joana Rettig

Joana Rettig

… liebt Karla Kolumna. Das "Hallöchen" der Neustädter Journalistin hat sie so weit in ihren Duktus integriert, dass ihre Kolleg:innen schon mit "Töröö" antworten. Sie verehrt, wie frech Kolumna ist - also ist sie es auch. Und zwar so frech, dass ihr Vater bis heute Angst hat, sie könnte irgendwann im Knast landen. Ihre journalistische Karriere begann 2014, als sie für ein Lokalblatt über Mädchen schrieb, die Plastikpferde bemalten. Später brachte sie den Rapper Fatoni dazu, in einem Song zu gendern, stritt sich mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann und befragte den Kanzler in einer quietschgelben FFP2-Maske zu den Pandemie-Sorgen von Studierenden. Dabei lagen ihre Themen eigentlich immer in der Welt. Dort, wo nicht viele hingehen. Also ging sie an die polnisch-belarussische Grenze und wenig später in die Ukraine, wo sie seit Beginn des Krieges als Reporterin arbeitet. In der Reportageschule will sie lernen, die wunderbaren, die bewegenden und auch die irren Geschichten, genauso lebendig aufzuschreiben, wie sie sie erlebt.

Jolinde Hüchtker

Jolinde Hüchtker

… schreibt – ja, so klischiert war es leider – seit sie einen Stift halten kann. In den vergangenen Jahren als freie Journalistin, Werkstudentin und Praktikantin etwa für DIE ZEIT, ZEIT ONLINE, die taz, CORRECTIV und den Tagesspiegel. Dabei traf sie Menschen, die Bestseller-Romane schreiben oder an Post-Covid leiden, die rappen, oder in Großstadtvororten gegen Rechtsextremismus demonstrieren. Menschen, die auf der Straße erkannt werden und solche, deren Geschichten viel zu selten jemand erzählt. Denn das ist es, was Jolinde interessiert: Menschen – und Missstände. Für Texte dachte sie über #MeToo in der US-Popkultur und der nordrheinwestfälischen Lokalpolitik nach, denn sie ist überzeugt, dass wir dieselbe Neugier wie Washington D.C. auch der deutschen Provinz entgegenbringen sollten. Dass nicht nur laute, sondern auch leise Geschichten ihre Titelseite verdienen. An der Reportageschule will sie deswegen nicht nur Auslands-, sondern auch Lokalreportage lernen, und nicht zuletzt den Mut gewinnen, sich ihrer größten Angst im Journalismus zu stellen: Telefonieren im Großraumbüro. Aufgewachsen in Berlin kann sie es kaum erwarten, die U-Bahn gegen Fußwege durch die Reutlinger Altstadt einzutauschen.

Jonas Lüth

Jonas Lüth

... fuhr schon als Jugendlicher per Anhalter durch Europa, ließ sich dabei die Welt erklären und kam mit einem Bündel strahlender Erzählungen zurück. Er wollte immer schon lernen, wie alles funktioniert und tickt. Ob in seiner afghanisch-iranischen WG in Athen, als Tresenkraft im fränkischen Wirtshaus oder bei Pferderennen der sudanesischen Militärjunta. Der afrikanische Kontinent faszinierte ihn nach langer Reise so sehr, dass er sich im Bayreuther Studium damit beschäftigte. Als er zwischen Bachelor und Master nach Zukunft suchte, tippte er die Worte „Deutschlandfunk“ und „Praktikum“ in die Suchmaschine. Drei Monate später saß er bis Mitternacht im Berliner Funkhaus und schraubte an seinem ersten Radiobeitrag. Auf dem Heimweg fiel ihm auf, dass er vor lauter Begeisterung seit 10 Stunden nichts gegessen hatte. Da wusste er: Ich will Journalist werden! Seine ersten Radiofeature handelten u.a. von seiner deutsch-tschechischen Identität, der Vergreisung Italiens und einem geerbten Jaguarkopf. Nach Arbeiten für das Deutschlandradio, den BR24, das MDR Fernsehen und das Reportagen-Magazin erfüllt sich endlich sein langjähriger Traum, das journalistische Handwerk richtig zu lernen.

Katharina Osterhammer

Katharina Osterhammer

... wollte erst Polizistin werden, um nie zu wissen, was am nächsten Tag auf sie wartet und um den Lebensgeschichten von Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. (Offenbar hatte sie sich da noch nicht allzu viel damit auseinandergesetzt, dass das nicht ist, wie Polizistin sein funktioniert.) Dann wollte sie Deutschlehrerin werden, um ihre Liebe zur Sprache weiterzugeben. Zum Glück erinnerte ihre Mama sie noch während der Schulzeit daran, wie leidenschaftlich Katharina sie als Kind mit einem Kochlöffel als Mikrofon interviewt hatte. Inzwischen ist der Kochlöffel zu einem echten Mikrofon geworden. Während des Staatswissenschaften- und Philosophie-Studiums machte sie auch Praktika bei BR und SZ. Zuletzt war sie als Nachrichten- und Politikjournalistin für den MDR in Thüringen unterwegs und berichtet fürs Radio und die Onlineredaktion vor allem über rechte Parteien und Wahlen. Neben dem deutschen Osten hängt ihr Herz am Nahen Osten. In Erfurt und im Libanon studierte sie Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients. Zuletzt kehrte sie während des Gaza-Krieges an die israelisch-libanesische Grenze zurück, um von UN-Soldat*innen zu erzählen, die immer zwischen den Fronten stehen. Heute freut sie sich darüber, nicht Polizistin geworden zu sein und sich als Journalistin lebendiger zu fühlen als sie es vermutlich in irgendeinem anderen Beruf jemals tun würde. An der Reportageschule will sie lernen, Geschichten über den deutschen und Nahen Osten so nuancenreich zu erzählen, wie die zwei Regionen es verdient haben. Katharina ist Stipendiatin der FAZIT-Stiftung.

Leon Meckler

Leon Meckler

… wurde einmal als „sein eigener Kopf“ beschrieben und hat sich das Kompliment zu eigen gemacht. Arbeitete ein Jahr als Freiwilliger in einem Kindergarten auf den Kanaren und merkte dort, dass er den Vertrag nicht verlängern würde. Entschied sich dafür, Journalistik in Eichstätt und Barcelona zu studieren und machte seine ersten Schritte in den Journalismus beim Bayerischen Rundfunk und den Nürnberger Nachrichten. Lernte bei ARTE, wie man Reportagen und Dokumentarfilme aufbaut. Gründete einen Verlag für Belletristik — und löste die GbR auf noch bevor das erste Buch erschien. Wollte verstehen, wie Large-Language-Modelle funktionieren und zog deshalb nach Leipzig, um dort KI-Theorie und Datenjournalismus zu studieren. Schrieb währenddessen für die Leipziger Volkszeitung Nachrichten und recherchierte für den MDR unter welchen Bedingungen Busfahrer in Leipzig arbeiten. Machte mit schwedischen und französischen Kollegen eine Cross-Border-Recherche über die Arbeitsausbeutung von Reinigungskräften, die unter anderem von der ARD und Mediapart veröffentlicht wurde. Mag investigative Recherche und Literatur. Will nun lernen, besser zu recherchieren, zu beobachten und zu beschreiben.

Lisa Pausch

Lisa Pausch

Nachdem sie feststellen musste, dass Hexe nicht zu den Ausbildungsberufen zählt, kam Lisa auf den Journalismus. Ihr Herz schlug da schon für Audio, ihre ersten Radioshows hatte sie auf Kassette aufgezeichnet (mit selbstgesungenem Musikteil, versteht sich) und an die höflich begeisterte Verwandtschaft verschickt. Für den Bayerischen Rundfunk schrieb sie später einstündige Features und versuchte etwa, Chemnitz als Paris des Ostens zu verkaufen. Mit einem Stipendium für Auslandsjournalismus wagte sie nach der Pandemie den Sprung nach Argentinien. Auf Feuerland ging sie dem Mythos vom Ende der Welt nach, zwischen Ushuaia und den Falklandinseln/Malwinen suchte sie für den Deutschlandfunk Perspektiven für eine Annäherung nach dem Krieg, schrieb in Jujuy über Konflikte beim Lithiumabbau, oder beobachtete das erste Regierungsjahr unter einem selbsternannten Anarchokapitalisten. In Reutlingen will sie lernen, lange Geschichten bis ins letzte Wort zu polieren und ihnen – auch ohne Hexenausbildung – Magie zu verleihen.

Niklas Schlottmann

Niklas Schlottmann

.… hat sich als promovierter Geisteswissenschaftler um ein Volontariat beworben und wurde trotzdem genommen. Aus der westfälischen Provinz stammend, führte ihn sein Studium der Germanistik und Philosophie von Tübingen über Wien nach Berlin, wo er beim Schreiben über Liebe in Literatur und Psychoanalyse austestete, ob eine Doktorarbeit eigentlich zwangsläufig humorfrei und spannungsarm sein muss; sein Fazit: muss sie nicht. Nach Jahren historischer Vertiefung stellte sich ein großer Hunger nach Gegenwart und der ebenso große Wunsch nach einem Orts- und Aufgabenwechsel ein. Und so ging es für zwei Jahre ins Ruhrgebiet, wo es die Einheimischen dem Berufsanfänger sehr einfach machten: Bereitwillig öffneten Großfamilien ihm die Türen zu ihren viel zu kleinen Wohnungen, stadtbekannte Trinker erzählten offenherzig ihre Geschichten und Esoterikerinnen, wie man heilende Baumessenzen ganz ohne Bäume herstellt. In Reutlingen freut er sich nun auf ein Jahr unter Gleichgesinnten: voll intensiver Textkritik, neuer Themenimpulse und Reisen ins Unbekannte.

Tom Gath

Tom Gath

.… fragt sich seit jeher, warum die Dinge so sind, wie sie sind, wenngleich sie auch ganz anders sein könnten. Nach der erfolglosen Suche nach einer philosophischen Letztbegründung entdeckte er seine Leidenschaft für den Journalismus während eines Volontariats bei einer Lokalzeitung. In einem lichtdurchfluteten Hospiz, auf norddeutschen Weinbauäckern und beim örtlichen Wasserversorger lernte er schnell, dass ein Verständnis der Welt nicht nur Theorie, sondern auch die Begegnung mit Menschen voraussetzt. Als Politikwissenschaftler bleibt ihm bewusst, dass die Erfahrungen und Selbstverständnisse von Menschen stets in größere gesellschaftliche Kontexte eingebettet sind – und guter Journalismus deshalb mehr sein sollte, als die Wiedergabe von Zitaten. Als ehemaliger Mitarbeiter einer gut sortierten Buchhandlung weiß er zudem um die Kraft von Geschichten. Abseits seiner beruflichen Stationen führte ihn seine Neugier unter anderem in Bars der Jerusalemer Unterwelt, in kurdische Dörfer, die kurz vor der Überflutung standen, und in besetzte madrilenische Druckereien. Als Lokalreporter hat er gelernt, von den unzähligen kleinen Alltagen im platten Land Norddeutschlands zu erzählen. Nun freut er sich darauf, noch mehr Ausschnitte der Welt schreibend zu vermitteln.