Wir sind der 18. Lehrgang

Anna Dotti
… konnte lange nicht daran glauben, jemals einen Presseausweis im Portemonnaie zu haben. Sie studierte Philosophie in ihrer Heimatstadt Rom, in Heidelberg und Jena, und verliebte sich in den politischen Gedanken von Hannah Arendt. Der Traum, Journalistin zu werden, lässt sie aber nicht los. Als sie in Athen mit hunderten Migrant:innen in einem Squat wohnte, wollte sie ihre Geschichten unbedingt weitererzählen und begann freie Texte zu schreiben. Wegen der erschreckend niedrigen Honorare der italienischen Medien zog sie 2018 nach Deutschland. Sie absolvierte einige Praktika und ein paar Jahre Freiberuflichkeit, unter anderem schreibt sie für die taz, Hamburg Morgenpost, Krautreporter, Tagesspiegel – und in Italien für Open Migration, Domani, L´Espresso. Eine europäische Perspektive prägt ihre Texte, ihre Lieblingsthemen: Soziales, Migration und Klima. Inzwischen hat sie gelernt, dass ein Presseausweis nur bei Demonstrationen einen Unterschied macht, um zu berichten, ohne auf die Fresse zu kriegen. Wenig könnte sie dazu bringen, ihren Schreibtischblick auf den Hamburg Hafen aufzugeben: Für die Ausbildung an der Reportageschule macht sie das sehr gerne.

Benjamin Fischer
… wollte nach seinem Geschichtsstudium in Freiburg mal einen Text ohne Fußnoten schreiben. Also machte er ein Praktikum bei der FAZ. Dort schrieb er über Babys im Eintracht-Fanclub und über 92-Jährige, die sich so sehr beim Bridge-Spielen zerstreiten, dass sie ihre Freundschaft beenden. So gut ihm das Praktikum gefiel, ganz sicher war er sich mit dem Journalismus nicht: die Konkurrenz schien zu groß und die Perspektive unklar. Daher ging er zurück an die Universität und zu den wohlbekannten Fußnoten. Nach dem Masterabschluss nun ein neuer Anlauf: Seit ein paar Monaten macht er einen Podcast über das deutsche Rentensystem. Darin geht es um die Anfänge im Kaiserreich, den Alltag von Rentner:innen und Reformideen. Vorher dachte er, dass das Thema trocken sein könnte. Doch aus der Nähe sah es plötzlich ganz anders aus. Darauf freut er sich auch an der Reportageschule: Genug Zeit zu haben, das Faszinierende und Vieldeutige an Themen und Menschen zu entdecken.

Celine Schäfer
… wollte schon während ihrer Schulzeit Journalistin werden, wusste aber nicht so recht, wie das überhaupt funktioniert. Ist dann erstmal aus einer beschaulichen Kleinstadt im Ruhrpott nach Köln gezogen, um Sozialwissenschaften zu studieren. Arbeitete nebenbei beim Fernsehen, wo sie zu ihrem eigenen Ärger mehr Kaffee gekocht und Teller gespült als recherchiert hat. Im Praktikum bei einem Rap-Magazin und bei einer Kölner Tageszeitung entstanden dann – endlich – die ersten Texte. Und die Leidenschaft dafür, die richtigen Fragen zu stellen und an Sätzen zu feilen, bis sie sitzen. Es folgte ein Volontariat bei „wortwert“, einem Journalist:innenbüro mit dem Schwerpunkt Wirtschaft. Dort haben sie Texte für „brand eins“, „fluter“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ davon überzeugt, dass es bei Wirtschaft um mehr als Dividenden und Männer in schicken Anzügen gehen kann. An der Reportageschule will sie lernen, Geschichten aufzuspüren, die berühren.

Dennis Frasch
… war als Käseliebhaber und Bank-Lehrling auf bestem Wege, alle Klischees eines Schweizers zu erfüllen. Bis ihm gesagt wurde, dass er sich genau überlegen solle, was er mit seinen kritischen Fragen für einen Eindruck beim Chef hinterlasse. Jetzt ist er Käseliebhaber und Journalist. Er begann ganz klein: Für die Studierendenzeitung seiner Uni schrieb er Mensa-Rezensionen, für den Zürcher Unterländer vom Rasenmäherrennen im Nachbardorf. 2019 ergatterte er sich eine Festanstellung als Reporter bei watson. Einen festen Themenbereich hatte er nicht. Spannend musste es sein: Eine Woche nach Kriegsbeginn lief er zu Fuss von Ungarn in die Ukraine, weil keine Mietwagenfirma ihm ein Auto ausleihen wollte. Vor Ort sprach er mit Männern, die ihre Frauen und Kinder in den Westen schickten, während sie in den Krieg ziehen mussten. An der Reportageschule will er tiefer in die Kunst des Erzählens eintauchen. Und seinen Kolleg*innen Schweizerdeutsch beibringen.

Frederik Mittendorff
… stand als Kind immer viel zu früh auf und wurde irgendwann mit den Sportseiten der Lokalzeitung ruhiggestellt. Der Schlafrhythmus ist bis heute ähnlich geblieben, nur das Leseverhalten hat sich graduell verändert. Nach Praktika bei den beiden Hamburger Lokalzeitungen (Abendblatt u. MOPO) Studium der Politikwissenschaft in Lüneburg, das über Fußballliveticker-Arbeiten querfinanziert wurde. Zwischendurch auch mal die Redaktionsräume der ZEIT und der Blätter gesehen. Dann Volontariat bei Deutschlands menschenfreundlichster Boulevardzeitung als Rathaus-Reporter. Trotz wiederholter Versuche seiner Ressortleitung, ihm den Hang zu längeren Texten auszuprü...treiben, mussten die Menschen im Layout regelmäßig Zusatzzeilen finden. Hofft nun an der Reportageschule auf Verständnis für seine Schwäche. Möchte in Reutlingen mehr auf die Straße als zuvor und über Politik auch abseits des Politikbetriebs berichten. Und lernen, wie man ein richtig guter Journalist wird, das will er natürlich auch. Vor allem das.

Hannah Mara Schmitt
… wollte eigentlich schon immer schreiben, ist dann aber erst mal zum Fernsehen, u. a. zum SWR, zu RTL und zum ZDF. Dort testete sie Brotsorten oder interviewte Promis auf dem roten Teppich der Berlinale. Ihr Studium konnte sie davon leider nicht bezahlen. Um die finanzielle Krise auf die Spitze zu treiben, ging sie als Gastforscherin an die NYU, wo sie Nächte lang in den Originaltexten feministischer Werke versank. Zurück kam sie mit einem Bachelorabschluss in Germanistik und Englisch – und einem leeren Konto. Während ihres Masterstudiums bekam sie das Angebot, bei einer Big Four mit anderen Kreativen an Texten für wichtige Wirtschaftsmenschen zu feilen – dachte sie zumindest. Doch statt spannenden Geschichten schrieb sie dort vor allem belanglose E-Mails. Wachgerüttelt hat sie einer ihrer Professoren, der ihr nach der Korrektur ihrer Masterarbeit schrieb: „Sie haben tatsächlich ein Talent fürs Schreiben – daraus sollten Sie unbedingt etwas machen!“. Es folgte die Erkenntnis, dass sie sich im letzten Jahr womöglich verirrt hat. An der Reportageschule begibt sie sich zurück auf den rechten Weg und möchte lernen, wie man das journalistische Handwerk so anwendet, dass Geschichten entstehen, die bleiben. Die Ausbildung an der Reportageschule ermöglicht ihr ein Stipendium der FAZIT-Stiftung.

Janina Bauer
… wusste nach dem Abitur im schwäbischen Ludwigsburg nicht so richtig wohin. Nur: So weit weg wie möglich, sollte es sein. Mit dem Rucksack ging es nach Südamerika. Abenteuer und so. Dann die Rückkehr in die Realität nach Stuttgart, um irgendwas mit Wirtschaft zu studieren. "Damit wird man was”, hatte man ihr gesagt. Also, reinschnuppern ins Corporate-Leben. Ziemlich schnell packt Janina wieder ihre Koffer und flüchtet – während des Studiums nach Südspanien, später nach Zürich. Dort dann das erste Mal den geheimen Wunsch ausgesprochen: Journalistin sein. “Schwierig”, sagte man ihr im Schwabenland, “mit dem Geld verdienen.” Jetzt, zwei Jahre später, kehrt sie zurück in die Heimat, mit einem Koffer voller Geschichten. Die Miete konnte sie in dieser Zeit stets zahlen und das Bedürfnis zu flüchten hatte sie nie.

Jonas Mayer
… hatte in den szenischsten Momenten seines Lebens nichts zu Schreiben dabei (Kuh-Angriff in den Alpen), zu viel zu tun (Entenfüttern mit Oma) oder einfach nur Schiss (Geburstagsfeier eines Drogendealers im sibirischen Nirgendwo – zufällig reingerutscht!). Hat daraus aber zumindest mitgenommen, dass die eingängigen Geschichten mehr mit Menschlichkeit als mit Ratio zu tun haben. Dennoch hat er sich neben Journalismus-Bachelor und Nachhaltigkeits-Master sowie in zu vielen Praktika eher mit Versicherungsfallen (ZDF), Medienkritik (NDR), Mensaessen (FAZ) oder Haussanierungen (ZEIT) beschäftigt. Zuletzt hat er im Umweltressort der Deutschen Welle Klima- und Umweltphänomene in Reels und TikToks erklärt. Dabei hat er festgestellt, dass man in 30 Sekunden erstaunlich viel sagen kann. Trotzdem freut er sich ganz außerordentlich auf die großen Formate an der Reportageschule, das zähe Recherchieren, das Schreiben mit genauso viel Herz wie Hirn. Dabei unterstützt ihn die FAZIT-Stiftung mit einem Stipendium.

Laila Sieber
… ließ sich mit vier Jahren „Das unheimliche Spukhaus“ von Kicki Stridh so oft vorlesen, bis sie es auswendig konnte. Ihre Leidenschaft für Geschichten brachte sie an die Hochschule der Medien in Stuttgart und nach Indien, wo sie einen Dokumentarfilm über eine der wenigen Rikshafahrerinnen in Pune drehte. Sie schlug als freie Kameraassistentin die Filmklappe, bevor sie ihre Neugier für unterschiedliche Lebensrealitäten zum Studium Fotojournalismus und Dokumentarfotografie nach Hannover führte. Dort verbrachte sie viel Zeit im Rotlichtviertel, um die Komplexität von Sexarbeit zu verstehen. Sie reiste zu Peschmerga-Kämpfern nach Kurdistan in Irak, begleitete eine Mission des Rettungsschiffes Sea Watch 3 auf dem Mittelmeer, fotografierte Waldbrände in Griechenland und jüdisches Leben in Teheran. Sie hospitierte bei der Zeit und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung; als freie Fotojournalistin arbeitete sie zuletzt in der Ukraine. Dort verfestigte sich ihr andauerndes Bedürfnis, mehr und besser zu schreiben.

Lars Graue
… hat in seiner Jugend so viel Fußball Manager gespielt, dass er bis heute überzeugt ist: Mit ihm als Manager wäre sein HSV nie abgestiegen. Insgeheim wusste er aber: Zahlen und Lars, das ist nichts. Also rechnete er fortan nur mit Wörtern. Sprache + Sport = Sportjournalist. Erste Schritte dafür bei einer Lokalzeitung in der ostwestfälischen Heimat. Nur durfte er nicht auf Sportplätze. Dafür in eine Sporthalle, um vom Jubiläum einer Herzsportgruppe zu berichten. Auch eine Art Sportjournalismus. Daraufhin in Siegen Medienwissenschaft studiert. Währenddessen ein 50/50-Praktikum: die eine Hälfte in einer Lokalredaktion, die andere bei der DeichStube. Später dann zum Lokalradio – dabei aber Sehnsucht nach inhaltlicher Tiefe. 2019 Umzug nach Magdeburg für ein Journalismus-Studium. Auf dem Beifahrersitz einer Kehrmaschine und auf der Matratze eines Obdachlosen hat er gemerkt, dass dieses Reporter-Sein was für ihn ist. Als FAZ-Sport-Hospitant deshalb fast nur Ideen für Reportagen im Kopf.

Lisa Plank
… ist in der bayerischen Provinz aufgewachsen und wollte nach dem Abitur so weit weg wie möglich - nur, um am Ende doch in München Politikwissenschaften zu studieren. Während ihres Studiums volontierte sie beim Institut für Journalistenausbildung der Passauer Neuen Presse, hospitierte im Auslandsstudio des ZDF in Paris und arbeitete als Gastredakteurin bei einer Tageszeitung in Namibia. Dort erkannte sie, wie viel Freude ihr die großen Geschichten bereiten und begann, einen Dokumentarfilm über die namibische Technoszene und ihren Zusammenhang mit dem deutschen Kolonialismus zu drehen. Nach ihrem Volontariat wollte sie vieles, nur nicht den ganzen Tag als Redakteurin am Schreibtisch sitzen. Deshalb arbeitete sie lieber frei, als sich nach Jobs umzusehen. Zwei Jahre später hat sie vieles gelernt, möchte aber noch mehr lernen. Sie will an ihren Recherchetechniken und ihrem Schreibstil arbeiten und am liebsten weiterhin als freie Journalistin arbeiten - aber mit etwas weniger Existenzängsten. Dafür geht es jetzt an die Reportageschule nach Reutlingen.

Marie Heßlinger
„In Filingen ist ein Unfal pasirt. Ein junaman ist zu schnel gefaren“, titelt die „Elstal Zeitun“ im Jahr 2000. Darunter das Bild eines Autos mit ungewöhnlichen Flügeltüren. Verfasserin von Text und Bild ist Marie Heßlinger, eine Grundschülerin, die zu jener Zeit zahlreiche Zeitungen editiert. Elf Jahre später, beim Abitur, kann sie sich daran nicht mehr erinnern. Sie reist nach Sizilien, hilft dort in einem Kindergarten und in einem Altersheim mit und studiert danach Psychologie in Tübingen und Kolumbien. Sie kann sich gut vorstellen, Therapeutin zu werden. Doch dann hospitiert sie aus Neugierde bei der Tübinger Lokalzeitung. Und das ändert alles. Mit einem Mal weiß sie: Sie will, sie muss Journalistin werden! Nach dem Master und zwei Praktika bekommt sie eine Stelle als freie Mitarbeiterin bei der Süddeutschen Zeitung angeboten. Drei Jahre arbeitet sie dort, dann hat sie Lust, noch mehr über das Schreiben zu lernen, und bewirbt sich an der Reportageschule…